Der Mythos vom „Naturprodukt Leder“ – Sabrina Zimmermann von Korkgut

  • 29 Mai 2020
  • Gastbeitrag
  • Green Living
  • Tierschutz

Leder ist ein Naturprodukt.  

Schließlich stammt es von Tieren.   

Die Tiere werden eh für das Fleisch geschlachtet und die Häute fallen quasi als Abfallprodukt nebenbei an. Das ist dann ja eigentlich nachhaltig. 

Wenn auf der Tasche oder den Schuhen steht, dass sie „Made in Italy“ sind, dann kommen sie aus Europa und man muss kein schlechtes Gewissen haben beim Kauf. 

Leder wird hochwertig verarbeitet und gegerbt; schließlich ist ja das Siegel „Echt Leder“ ein Qualitätsmerkmal. 

Es handelt sich ja um Tierhäute, also ist das etwas natürliches, was mir nicht schadet, wenn ich es verwende. 

 

Diese Aussagen habe ich auch geglaubt, lange. Wie viele andere auch.

Bis ich vom Gegenteil überzeugt wurde.

Leider sind die Fakten zur Lederherstellung wenig bekannt. Wahrscheinlich ist die Lederindustrie auch nicht daran interessiert, das weiter zu veröffentlichen.

Es ist schwierig für den einzelnen Verbraucher*innen rauszufinden, woher das Leder stammt oder wie es hergestellt wurde. Denn eine Kennzeichnungspflicht oder entsprechende Siegel gibt es bisher nicht, so wie bei Kleidung.

Hier also mal ein paar Fakten, die uns die Augen öffnen:

  • Jedes Jahr werden im Auftrag der Lederindustrie mehr als eine Milliarde Tiere getötet¹
  • Leder ist kein Abfallprodukt der Fleischindustrie. Die Lederindustrie erzielt mit Tierhäuten und Lederprodukten einen Umsatz von 80 Milliarden US-Dollar pro Jahr ²
  • Für jedes Kilo Leder werden ca. 17093 Liter Wasser benötigt ³
  • Mindestens 40 % der Tiere werden nur zum Zweck der Lederverarbeitung getötet ⁴
  • Ein Großteil der Tiere für die Lederproduktion kommt aus Asien oder Südamerika ⁵
  • Die Tötung erfolgt häufig sehr brutal und ohne Betäubung ⁶
  • Bis zu 2 Millionen ausgediente „heilige Kühe“ werden jedes Jahr allein in Indien illegal nach Bangladesch transportiert, unter elendigen Bedingungen für die Tiere. In Bangladesch werden die Häute dann weiter verarbeitet.
  • Für die Gerbung und die Haltbarmachung der Häute werden Chromsalze eingesetzt. Durch falsche Handhabung und Dosierung entsteht dabei das hochgiftige Chrom VI. Das Schwermetall ist krebserregend, erbgutschädigend und verseucht auch die Flüsse und die Böden um die Fabriken. Denn Umweltauflagen gibt es nicht. ⁷

 

Das Chrom VI bleibt nach der Verarbeitung im Leder erhalten, so dass wir als Endverbraucher*innen auch damit in Kontakt kommen. Im besten Fall löst es „nur“ eine Allergie aus.

Nun könnte man sagen:   ich kaufe nur hochwertige Lederprodukte, die „Made in Italy“ sind.

Jedoch ist das keine Garantie für chemiefreies Leder, denn auch die teuren Designermarken lassen häufig in Asien fertigen, unter den geschilderten Bedingungen. Es reicht, wenn ein Arbeitsschritt, z. B. das Veredeln der Häute in Italien vorgenommen wird, damit „Made in Italy“ drauf stehen kann.

Die meisten Lederschuhe z.B. werden zum großen Teil in Rumänien produziert, weil dort die Löhne als die günstigsten in Europa gelten. Selbst in China wird mittlerweile mehr bezahlt.  Ein*e durchschnittliche*r Arbeiter*in in der Schuhproduktion in Rumänien verdient ca. 200,00 Euro – im Monat. Das reicht selbst in Rumänien nicht zum Leben. ⁸

Veganer*innen lehnen Lederprodukte ab. Auch Nichtveganer*innen sollten überlegen, ob sie beim nächsten Kauf nicht auf andere Materialien zurückgreifen.

 

Was gibt es denn für Alternativen? 

In den letzten Jahren hat sich da viel getan. Es gibt mittlerweile viele tierfreundliche, pflegeleichte und robuste Alternativen aus Naturmaterialien wie Hanf oder atmungsaktiver Synthetik (auch »veganes Leder« genannt), die die positiven Eigenschaften von echtem Leder ersetzen und teilweise sogar übertreffen.

Kunstleder – Kunstleder enthält Kunststoffe wie beispielsweise Polyvinylchlorid (PVC) oder Polyurethan (PU). Genau wie echtes Leder wird es für Mode, Möbel oder Accessoires verwendet. Es ist sehr robust, witterungsbeständig und leicht zu reinigen. Der Nachteil bei Kunstleder ist, dass die Kunststoffe nicht biologisch abbaubar sind und es auf Erdölbasis produziert wird. Damit ist diese Alternative zwar vegan, aber nicht umweltfreundlich.

Doch es geht auch anders. Einige besonders interessante Neuentwicklungen auf Pflanzenbasis, die auch gut für die Umwelt sind, sind z.B.

Piñatex – Ananasleder, das aus den Blättern der Ananaspflanze gewonnen wird, die normalerweise entsorgt werden. Piñatex benötigt keine zusätzlichen Ressourcen wie Wasser, Düngemittel oder Pestizide.

Bananatex – ein technisches Textil auf Basis des Bananenhanfs Abacá aus dem philippinischen Hochland. Das Material wird bisher für Papier, Seile oder Fischernetze verarbeitet und kommt auch in den Banknoten der Philippinen zum Einsatz. Es ist sehr robust, langlebig, wasserabweisend und benötigt keine Pestizide.

Eukalyptusfaser – das vegane Material basiert auf den Fasern von Eukalyptus-Blättern. Die verwendeten Eukalyptusfasern werden in nachhaltiger Forstwirtschaft angebaut – ohne Genmanipulation und den Einsatz von Pestiziden. Dabei eignet sich die Faser perfekt als Material, denn sie ist sehr robust, fest, bei gleichzeitig geringem Einsatz von Wasser und Pestiziden.

Pilzleder – Gewonnen wird die Leder-Alternative aus Myzelen, den dichten Wurzelfasern von Pilzen, die unter der Erde wachsen. Diese Fasern werden mit unterschiedlichen Abfallprodukten wie beispielsweise Maisschalen versetzt. Nach wenigen Tagen sind sie von den daraus wachsenden Pilzen überzogen, die Masse kann dann in Form gepresst, getrocknet und gegerbt werden. Das Ergebnis sieht nicht nur aus wie Leder, es fühlt sich laut Hersteller auch so an. Es soll zudem wasserabweisend, reißfest und atmungsaktiv sein.

Apfelleder – wird in Italien produziert aus Apfelresten, die aus Bozen stammen. Dort gibt es riesige Apfelplantagen und eine große Industrie, bei der Tonnen von Abfall entstehen. Ein Teil dieses Abfalls wird für das Apfelleder verwendet. Im ersten Schritt werden die Apfel-Abfälle getrocknet und zu einem feinen Pulver gemahlen. Danach wird dann aus dem Apfel-Pulver und Farbpigmenten eine Mischung hergestellt, die auf Baumwollbahnen aufgetragen wird. Diese Bahnen werden dann gewaschen und erhitzt, um das Material flexibel und widerstandsfähig zu machen.

Kork – Kork ist ein nachwachsender Rohstoff und ist die Rinde der Korkeiche. Durch eine Neuentwicklung lässt sich die Rinde nun auch zu einem Korkstoff verarbeiten, der weich, flexibel, dabei robust und von Natur aus wasserabweisend ist. Und das regelmäßige Schälen verjüngt die Bäume, die dadurch bis zu 300 Jahre alt werden.

Außerdem tragen die Korkeichenwälder zu einem besseren Klima bei. Regelmäßig geschälte Korkeichen binden bis zu viermal mehr CO2 als nicht geschälte Bäume.

Und die neueste Entwicklung: „BioLeder“ aus Kaktus – veganes Bioleder aus dem Feigenkaktus. Der Nopal-Kaktus ist in seiner Heimat Mexiko eine viel genutzte Pflanze, die auf Millionen von Hektar angebaut wird. Die jungen Triebe werden gerne in der mexikanischen Küche zubereitet und der Kaktus dient auch als Futtermittel in der Landwirtschaft.

Auf die Idee, Kaktus für die Textilherstellung zu verwenden, kamen zwei findige Gründer aus Mexiko. Der Nopal-Kaktus ist dort häufig Bestandteil von Hautpflegeprodukten.

Das Kaktus-Leder ist nicht nur ein veganes Lederimitat, sondern vor allem auch ein umweltfreundliches und nachhaltiges Produkt:

  • Es kommt ohne Kunststoffe aus. Das Kaktusleder besteht aus einem Fasermaterial, das auf Baumwolle als Trägermaterial aufgebracht wird.
  • Kakteen sind ein nachhaltiger Rohstoff: Sie brauchen nur wenig Wasser und lassen sich leicht an vielen Orten Mexikos anpflanzen.
  • Das Kaktus-Leder ist widerstandsfähig, flexibel und atmungsaktiv
  • Im Vergleich zu vielen Kunststoff-Ledern ist Kaktus-Leder langlebig

 

Damit gibt es genügend Alternativen, die sowohl die Tiere, als auch die Umwelt und das Klima schützen. Und das ist für jede*n, Veganer*in oder Nichtveganer*in wichtig. 

 

 

Korkgut ist eine Manufaktur für Taschen und Accessoires aus Kork, gegründet 2019. Bei Ihnen gibt es individuelle Produkte, handgefertigt in Deutschland. Unikate auf Kundenwunsch sind auch möglich.  Hier geht’s zu ihrer Website!

 

Quellen:

 1 Quelle: https://www.peta.de/13-fakten-die-uns-die-globale-lederindustrie-verheimlicht

2  Quelle: https://www.peta.de/13-fakten-die-uns-die-globale-lederindustrie-verheimlicht

3  Quelle: https://www.stern.de/panorama/wissen/wasserverbrauch–so-viel-wasser-steckt-in-kaffee–jeans-und-chips

4  Quelle: https://www.petazwei.de/leder

 5 Quelle: https://www.peta.de/leder-naturprodukt

6  Quelle: https://www.peta.de/leder-naturprodukt

 7 Quelle: https://www.peta.de/leder-naturprodukt

 8 Quelle: Youtube: Könnes kämpft: Massenware Tierhaut. Das Geschäft mit dem Leder

 Weitere Quellen:

https://utopia.de/ratgeber/veganes-leder-muss-nicht-aus-kunststoff-sein/

https://utopia.de/ratgeber/desserto-veganes-leder-aus-kaktus/;

https://www.geo.de/wissen/17727-rtkl-leder-faq-was-sie-wirklich-ueber-leder-wissen-muessen;

https://www.peta.de/leder-aus-indien-von-wegen-heilige-kuehe;

https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/sendung/bangladesch-leder-100.html

https://www.global2000.at/publikationen/lederindustrie-indien;

https://www.global2000.at/publikationen/schuh-und-lederproduktion-europa;

https://www.quarks.de/umwelt/so-schmutzig-ist-die-herstellung-von-leder/